Am 27. Januar 2020 jährte sich zum 75. Mal der Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die sowjetische Armee. Die Schülerinnen und Schüler des Städtischen Gymnasiums gedachten dieses Tages, indem in der 3. Unterrichtsstunde in allen Klassen der Jahrgänge 7 – Q2 ein von Herrn Ehlers verfasster Text verlesen wurde. Im Anschluss daran wurde die Möglichkeit zu einem intensiven Gedankenaustausch anhand der Diskussionsanregungen genutzt.

 

Liebe Schülerinnen und Schüler,

vielleicht habt ihr euch/ haben Sie sich schon gefragt, warum heute die Flaggen auf Halbmast hängen, viele wissen sicher auch schon Bescheid. Heute vor 75 Jahren wurde das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von der sowjetischen Armee befreit.
Man denkt heute an die mehr als sechs Millionen europäischen Menschen jüdischen Glaubens, die mehr als 500.000 Sinti und Roma und viele andere hunderttausend Menschen, die von Deutschen in den Jahren zwischen 1939 und 1945 fabrikmäßig umgebracht worden sind. Diese Menschen hatten sich nichts zuschulden kommen lassen. Sie alle, Männer, Frauen und Kinder jeden Alters wurden umgebracht, weil viele Deutsche Sie als minderwertige Menschen betrachteten, die ausgerottet werden sollten.
Die Ausgrenzung und Demütigung der jüdischgläubigen Menschen in Deutschland begann gleich, nachdem eine Mehrheit der Deutschen die Nationalsozialistische Partei an die Macht gewählt hatte. Zunehmend wurden jüdischgläubige Menschen aus ihren Berufen verdrängt, durften öffentliche Einrichtungen nicht mehr benutzen, Kinder mussten auf spezielle Schulen wechseln, Geschäfte von jüdischgläubigen Menschen wurden schikaniert. All dies geschah auch in Bad Segeberg. Gegenüber des Rathauses stand einmal die Synagoge von Segeberg, die der Gemeinde weggenommen und in ein Lagerhaus verwandelt wurde.
All das geschah in aller Öffentlichkeit. Jeder Mensch konnte sehen, was geschah. Etwas dagegen taten die wenigsten. Manche wohl aus Angst, viele, weil es sie ja nicht betraf, viele, weil sie sogar davon profitierten. Es kam aber noch viel schlimmer. Als die Deutschen den Krieg begonnen hatten, wurden auch in allen besetzten Gebieten jüdischgläubige Menschen erst schikaniert und dann in Konzentrationslagern inhaftiert. Dort mussten die Menschen arbeiten, bis sie tot umfielen. Diejenigen, die nicht arbeiten konnten, Alte, Schwache, Kranke und Kinder brachten die vielen tausend beteiligten Deutschen und ihre Helfer dann systematisch um. Die meisten wurden vergast und erstickten, viele hunderttausend wurden erschossen, tausende kamen auf noch viel grauenvollere Art und Weise ums Leben. Dass die jüdischgläubigen Menschen schikaniert und ausgegrenzt wurden, dass man ihnen ihr Eigentum wegnahm, dass man sie verhaftete und anderswo hinbrachte, konnte jeder sehen, denn auch all dies geschah am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit. Dass man sie wie in einer Fabrik umbrachte, wussten nach Stand der Forschung mehrere hunderttausend Deutsche und alle anderen hätten es wohl wissen können, wenn sie es wissen hätten wollen. Natürlich gab es auch Deutsche, die den Menschen halfen, aber es waren unendlich viel weniger, als diejenigen, die nichts taten oder schlimmer noch, sich an alldem beteiligten. An all diese umgebrachten Menschen, von denen einige auch hier aus Bad Segeberg stammten, die hier aufgewachsen und zur Schule (z.B. zur Dahlmannschule, die es anders als das STG damals schon gab) gegangen sind, soll heute gedacht werden.